Lesenswerter Beitrag der „Berliner Woche“

In der Berliner Woche ist ein lesenswerter, ausführlicher Bericht zu dem gestrigen Treffen erschienen.

Aus dem Bericht: „Dass der Dialog ziemlich einseitig verlief, lag vor allem an den drei Markthallenbetreibern, die zwar anwesend waren, sich aber über weite Strecken wortkarg präsentierten… Der Dialog werde fortgesetzt, sagte Florian Niedermeier, einer der Betreiber, zum Abschluss. Welcher Dialog?

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Einseitiger Dialog – Streit um Markthalle Neun

Selbst wenn gewollt, an einem noch so großen Tisch hätten die Besucher keinen Platz gehabt. Geschätzt rund 150 waren am 2. April in die Markthalle Neun an der Eisenbahnstraße gekommen.

Hergelockt wurden sie von den aktuellen Auseinandersetzungen um die Aldi-Kündigung und allem, was in den Augen vieler Anwohner damit zusammen hängt. Darauf wurden Antworten erwartet. Die gab es aber, wenn überhaupt, höchstens sehr dosiert. Auch ein Verständigen über das weitere Procedere fand nicht wirklich statt. Am Ende stand lediglich der Termin für ein weiteres Treffen, genau eine Woche später am 9. April.

Dass der Dialog ziemlich einseitig verlief, lag vor allem an den drei Markthallenbetreibern, die zwar anwesend waren, sich aber über weite Strecken wortkarg präsentierten. Obwohl oder weil sie mit Fragen und Anmerkungen bombardiert wurden. Ausgangspunkt war zunächst das Aldi-Aus. Das Zurücknehmen der Kündigung wurde als erster Schritt für „ein Moratorium“ für weitere substantielle Gespräche gefordert. Dafür seien von den Betreibern zuletzt unterschiedliche Signale gekommen. Die äußerten sich dazu nicht. Nur so viel: Der Discounter wird als Konkurrenz zu den eigenen Angeboten gesehen. Deren, auch niedrigpreisiges Sortiment, werde von Aldi noch immer unterboten. Er stehe also der weiteren Entwicklung der Markthalle im Weg, so die Schlussfolgerung. Nur, in welche Richtung geht die?

Touristen statt Anwohner

Die Markthalle Neun sei bereits und werde immer mehr zu einem Anziehungspunkt einer solventen öko-regio-Klientel sowie von Touristen. Auf die Bedürfnisse der Einwohner werde dabei kaum Rücksicht genommen, lautet der Vorwurf. Festgemacht wurde das unter anderem an den langen Streetfood-Donnerstagen. Was diese Massenverköstigung noch mit gesunder Ernährung zu tun habe, erschließe sich ihr nicht, meinte eine Frau.

Das Label der Markthalle als Biotop für gut Situierte ist sozusagen die große Geschichte dahinter. Das heutige Gebaren wäre aber nicht die ursprüngliche Intention gewesen, insistierten mehrere Redner. Dabei spielte das Konzept einer „Halle für Alle“ eine Rolle. Das wurde zum Ausgangspunkt des Konzeptverfahrens im Jahr 2010, aus dem die jetzigen Betreiber als Sieger hervorgegangen waren. Der türkische Fleischer solle ebenso Platz finden wie der Gemüsehändler aus Brandenburg, wurde aus ihrem damaligen Bewerbungspapier zitiert. Zumindest ersterer ist aktuell nicht vertreten.

Auf das Halle-für-Alle-Label wird deshalb so vehement gepocht, weil viele Anwohner sich einst dafür stark gemacht haben. Sie hätten dadurch den Bestand der Markthalle gerettet. Das Konzeptverfahren durchgesetzt. Den heutigen Chefs zu ihrem Zuschlag verholfen. Die bekamen die Immobilie zu einem äußerst günstigen Preis. Auch das Einstreichen weiterer Subventionen wurde ihnen unwidersprochen vorgehalten. Schon wegen all dieser Zuschüsse wird ein Mitspracherecht eingefordert.

Auftrag nicht erfüllt

Die Betreiber hätten ihren Auftrag nicht erfüllt, findet Stefanie Köhne. Sie ist eine der Aktivistinnen des Protests, betonte aber, sie spreche gerade ausschließlich in eigenem Namen. Nach ihrer Ansicht sei die Markthalle gar keine Markthalle. Wäre sie das, müsste nicht für Aldi gekämpft werden.

Auch das wurde von den Angesprochenen mit Schweigen quittiert. Wie anderes auch, etwa die Frage nach dem Interesse am „House of Food“, einer Art Kochschule für nachhaltige Ernährung, für die sich die Markthalle Neun als Standort ins Spiel gebracht hat. Oder der nach der Höhe der Standmieten, worauf es nur einen Verweis auf via online vermittelte Angaben gab. Ebenso keine Antwort auf die Frage, wie die vorhandenen Wohnungen in dem Gebäude genutzt werden. Sie sind, das ist inzwischen ein offenes Geheimnis und wurde auch an diesem Abend ohne Dementi erwähnt, derzeit größtenteils Büros. Das alles vorgebracht als Frontalangriffe aus dem Auditorium. Einschließlich mancher Tiraden unter der Gürtellinie.

Man wolle die Fragen sammeln und ziemlich schnell nach der Veranstaltung entsprechende Stellungnahmen übermitteln, wurde bereits zu Beginn deutlich gemacht. Manche Replik wäre auch nicht aus dem Stand möglich. Ein Anwohner fand das vorgeschoben. Bereits eine Woche zuvor seien einige auch jetzt wieder zentrale Themen behandelt worden.

Kaum Antworten, viel Spekulation

Es gab auch einige Unterstützer, die an die Dialogbereitschaft aller appellierten. Nur auf die Verantwortlichen einzuhauen, wäre nicht fair, meinte eine Rednerin. Was ihr den Konter einbrachte, sie versuche sich als Sozialarbeiterin für drei verstockte Schüler.

Die nur begrenzte Teilnahme an dem „Gespräch“ gab außerdem Anlass für weitere Theorien und Spekulationen. Etwa über die Besitzverhältnisse der Immobilie. Sie fordere einen Einblick in die geschlossenen Verträge, sagte Köhne.

Namen schwirrten durch den Raum, die im Hintergrund eine Rolle spielen sollen. Das alles bisher weitgehend geschützt durch die Politik, beziehungsweise Teile von ihr. Egal, ob richtig oder falsch, wo Erklärungen ausbleiben, ist Platz für Kolportage. Am Ende stand nur die Hoffnung auf mehr Klarheit eine Woche später. Der Dialog werde fortgesetzt, sagte Florian Niedermeier, einer der Betreiber, zum Abschluss. Welcher Dialog?

 

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